Der erste Kunstmarkt in Meiderich
(Rudolf Kley)
Dann war er auf einmal da, der 11. Juni 1978. Frühmorgens schon kamen die Aussteller, um ihren Platz einzunehmen. Von den Marktleuten hatte ich Marktstände angemietet, die in der Nähe des Marktplatzes gelagert waren. Viele Aussteller kamen mit eigenem Stand und manchmal auch nur mit einem Tapeziertisch. Einige stellten ihn parallel zu ihrem Auto auf. Vieles, was heute gar nicht mehr gehen würde, war damals erlaubt. Tatkräftige Unterstützung erfuhr ich an diesem Tag von den Mitgliedern der Kulturwerkstatt, Friedrich von Pfeil und Karl Niehaus. Allein hätte mich an diesem Tag – bei allem Improvisationstalent – die Durchführung des Kunstmarktes überfordert.
Am 17. Mai 1978 wurde die Kulturwerkstatt Meiderich gegründet, deren Vorsitzender ich wurde. Wenig später, am 11. Juni 1978 fand der erste Kunstmarkt in Meiderich statt. Er wurde am Sonntag um 11.00 von Bürgermeister Helmut Wieczorek eröffnet.
Der erste von Rudolf Kley organisierte Kunstmarkt 1978 in Meiderich
Die Marktstände der Markthändler vom Wochenmarkt leisteten gute Dienste. Am Ende entstand nach langer Vorbereitungszeit am 11. Juni 1978 ein wirklich buntes Bild auf dem Marktplatz. Der Kreativbereich für die Kleinen wurde durch die Firma Gooses abgedeckt, die bereits mit ihren Basteltagen im Gemeindezentrum Schwabenruhr stets einen großen Erfolg verbuchen konnte.
Schon auf diesem Kunstmarkt war durch eine Gulaschkanone für das leibliche Wohl der Besucher gesorgt. Wem die Suppe zu scharf war, der konnte sich an einem runden, überdachten Getränkestand die entsprechenden „Mittel“ zum Nachspülen besorgen. Der Zauberer Lo Button verzauberte die Kinder und die kleine Raupe Nimmersatt von dem Puppentheater der Annette-von-Droste-Hülshoff-Schule bekam ihren Hunger durch Applaus gestillt.
Musikalische Beiträge von Peter Bursch und der Bröselmaschine, und der Hamborner Gruppe Dusty Region Shuffle erfreuten die Fans und Besucher des Kunstmarktes.
Überall auf dem Marktplatz sah man erstaunte Blicke. Das hatte Meiderich noch nicht gesehen. Natürlich waren auch jede Menge Vertreter der Presse da. Örtliche Redaktionen hatten ihre Mitarbeiter geschickt. Aber auch überregional tätige Journalisten waren anwesend. Die Resonanz in den Zeitungen war sehr gut. „Am Ende waren sich alle, Besucher, Künstler, anwesende Politiker klar darüber, dass dies nicht die letzte Aktion in Meiderich sein sollte. Vergessen war bei den meisten, dass am Anfang nur die Idee eines Einzelgängers in Sachen Kunst gestanden hat.“ (NRZ, 13. Juni 1978) „Dennoch war der erste Meidericher Kunstmarkt alles andere als eine bloße Verkaufsausstellung.
Nahezu an jedem Stand fanden Gespräche und Diskussionen zwischen Ausstellern und Besuchern statt.“ (RP, 12. Juni 1978, Reiner Terhorst). Die WAZ betitelte ihren Bericht: „Meidericher Experiment hat sich gelohnt. Kunst auf dem Markplatz fand auf Anhieb Liebhaber.“ (12 Juni, ka).
Bereits am 13. Mai konnte man lesen, dass der Markt wiederholt werden würde. Seitdem fand der Kunstmarkt jedes Jahr statt, am Sonntag, dem 28. Mai 2018 wurden zum 40. Mal die Stände für die Kunst aufgebaut. In Essen, Lüdenscheid und anderen Orten kopierte man den Meidericher Kunstmarkt. Über die Kataloge hatte man Zugriff auf die Künstler und holte sich auch sonst in Meiderich Rat ein. Zu Recht kann man anführen, dass dieser 1. Kunstmarkt weit und breit der größte in freier Trägerschaft war und vielleicht auch immer noch ist.
Bereits drei Tage vorher hatte Dr. Konrad Schilling, Beigeordneter für Kultur und Bildung der Stadt Duisburg, die Ausstellung der 32 Duisburger Künstler in der Galerie77 eröffnet. Dicht gedrängt standen über 100 Besucher im Innenhof zwischen der Galerie und der Alten Schmiede, währen der Kulturdezernent auf einem Podest einen bewegenden Vortrag hielt. Er lehnte sich dabei an sein Vorwort zu dem Katalog, der zu der Ausstellung in der Galerie und dem Kunstmarkt erschienen war: „Im Kreis der neu entstandenen Duisburger Galerien nimmt die Galerie77 in Duisburg Meiderich durch ihre Zielsetzung, vor allem Duisburger Künstler zu fördern, einen besonderen Platz ein. Wenn heute zahlreiche Mitglieder der in der Interessengemeinschaft Duisburger Künstler zusammengeschlossenen Kunstschaffenden unter Einbeziehung auch nicht Organisierter in der Meidericher Galerie präsentiert werden, so ist dies wie der weniger Tage später angekündigte Kunstmarkt ein deutlicher Beweis dafür. Da die Galerie nur über begrenzten Raum verfügt, kann die Sommer-Ausstellung nur einen sehr eingeschränkten Ausschnitt der Kunstschaffenden in Duisburg zeigen. Dennoch: Immer wieder von neuem ist man gespannt, wie sich die einzelnen Künstler weiterentwickelt haben, lockt der Reiz der Neuentdeckung, des Wiedersehens. Dies möglich zu machen, ist Rudolf Kley zu danken. Auf solche bürgerschaftlichen Aktivitäten kann die Stadt Duisburg nicht verzichten.“
Ich hatte den Kunstmarkt auch nicht als „Eintagsfliege“ geplant. Ermutigt durch die allseits nur positive Resonanz, begab er sich sofort daran, das Konzept für den nächsten Kunstmarkt zu erstellen und Künstler für diesen Markt einzuladen.
Dann kam der 1. Juni 1979. Ich hatte viel Überzeugungskraft walten lassen, um den Künstler Otmar Alt für eine Ausstellung in der jungen Galerie77 zu gewinnen. Dies war ihm nur durch Zusammenarbeit mit der Firma Rosenthal gelungen, bzw. mit der Firma Sauter, die in Duisburg Meiderich die Rosenthal studioline vertrat. Otmar Alt war selbst anwesend. Aber auch der Dichter Eugen Gomringer. Bei Rosenthal leitete Gomringer von 1967 bis 1985 die Kulturarbeit. Eugen Gomringer ist ein renommierter Vertreter der konkreten Poesie im deutschen Sprachraum und ein bedeutender Interpret der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung in der Galerie77 wurde eröffnet durch Wolfgang Artz, Pressesprecher der Rosenthal AG. Wolfgang Artz betonte in seiner Ansprache, dass sich in Meiderich gerade das vollzieht, was sich auch Rosenthal als kulturelle Leitidee auf die Fahne geschrieben hat. Möglichst vielen Mitbürgern solle im Alltag der Umgang mit Kunst und Kultur ermöglicht werden. Dass Kunst sich auch in Porzellan ausdrücken kann, bewiesen die Namen von Künstlern wie Grieshaber, Paolozzi, Piene, Rabuzin, Vaserely, die alle in der Ausstellung durch Werke vertreten waren. Das Hauptaugenmerk lag ganz offensichtlich aber auf den Werken von Otmar Alt, der mit rund 30 Werken vertreten war – Malerei, kolorierte Zeichnungen und Grafik. Für Rosenthal hatte Otmar Alt unter anderem ein Mokka-Service, eine Vase und das Lichtobjekt „Laternentier“ gestaltet.
Die Eröffnung der Ausstellung in der Galerie77 war nur der erste Akt. Der zweite folgte sogleich. Die Gäste gingen über den Hof zur alten Schmiede im Hinterhof, die künftig die Kulturwerkstatt beheimaten würde. Deren Renovierung war durch den Einsatz und die Geschicklichkeit der Mitglieder so weit vorangekommen, dass man sie eröffnen und sogar schon für eine Ausstellung nutzen konnte. Mitglieder des Werkstattkreises Bildende Kunst und der Foto/Film Gruppe stellten ihre Werke vor.
Eine Gemeinschaftsleistung war auch das kalte Büffet, das die Mitglieder für die Gäste aufgebaut hatten. Die Band Purer Leichtsinn aus Meiderich gab vor den begeisterten Zuhörern ihr Debüt und wurde mit viel Beifall belohnt. Die laue Sommernacht trug viel zu der einmaligen Stimmung bei, die ein anwesender Reporter einer Duisburger Tageszeitung kurz so beschrieb: „Die Meidericher verstehen es, ihre Feste zu feiern.“