Erinnerte Heimat
(Clays Xrynxs)
Haufen von Kohle
vor den Kellerfenstern
im Winter
im Flur Fässer
mit gelben Bohnen
der Frost ist ein Maler
von Blumen auf Winterfenstern
ein Künstler im Licht
so kraftvoll wie im Dunkel
lässt er das Leben stillstehen
wie die gefrorenen Wasser
der Ruhr und des Kanals
beide nicht weit vom Haus
Schneeflocken groß und schwer
auf den alten stählernen Brücken
lückenlose Weiße manchmal für Tage:
immer wenn ich Schneeflocken sehe
erinnere ich mich an Frosttage und Sterne
Siehst du das Band von Lichtern da oben?
das sind die Sterne der Milchstraße
sie sind Sonnen wie die Sonne unserer Erde
sagte meine Mutter
wenn wir abends im Winter mit dem Vater
den langen Weg vom Bahnhof nach Hause gingen
man konnte die Milchstraße gut erkennen
seitdem ist die Stadt viel heller geworden
und die Milchstraße viel dunkler.
Wir gingen jeden Morgen
zusammen zur Schule
Maria und ich
nahmen uns gegenseitig
an der Hand
wie unsere Mütter uns aufgetragen hatten
gingen zusammen diese fünf Minuten
ohne zu reden über was
hätten wir reden sollen?
wir hatten noch keine Sprache
für die Bilder um uns
und keine Worte
für die Sprache unserer Hände.
Später dann was einmal Heimat schien
hatte die Zeit nicht überdauert
die Wege schienen schmaler
die Straßenbahn war fort
die Leute waren geblieben
waren hartnäckig, waren älter geworden
man geht hier nicht fort
die Alten sowieso nicht
so wenig wie man zurückkehrt
wohin auch? in diesem Niemandsland
aus dem ich entkommen bin
einer Art Zoo, eine Ausstellung
von Leben im Leerlauf
einem Menschenpark
der seine Hände ausstreckt
ins Leere.
Duisburg, 2017